Tagung zum Thema „Glaube und Religion gestern, heute & morgen"
„Wir fühlen, dass selbst wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind“, schrieb Ludwig Wittgenstein. Der berühmte Philosoph brachte damit auf den Punkt, was auch das Resümee einer hochkarätig besetzten Tagung zum Thema „Glaube und Religion gestern, heute & morgen“ am Realgymnasium und der TFO Meran am Montag war.
„Es ist dies unser Beitrag zum 700-Jahr-Jubiläum“ der Stadt Meran, sagte Schuldirektor Franz Josef Oberstaller und freute sich, dass es gelungen war, Bischof Ivo Muser für die Tagung zu gewinnen. Paul Rösch erinnerte an die vielen Glaubensgemeinschaften, die um die Jahrhundertwende in der auflebenden Kurstadt Fuß fassten. „Die Kurgäste brachten auch ihre Weltanschauungen und Wertvorstellungen, ihren Glauben und ihre Religion mit“, sagte Merans Bürgermeister. Weltoffenheit und Vielfalt präge die Stadt bis in unsere Zeit.
Eva Pletz und Klaus Refle, beide unterrichten Religion an der Meraner Oberschule, führten mit ihren Schülern in das Tagungsthema ein. Während früher Jugendliche sehr kritisch, auch ablehnend dem Religionsunterricht gegenüberstanden, zeigten sie heute nicht selten Desinteresse und Gleichgültigkeit gegenüber religiösen Themen, bedauerte Refle. Trotzdem sei die Sehnsucht nach sinnerfülltem Leben und das Sprechen über existenzielle Fragen unter Jugendlichen stark. Dass sich die letzten großen Lebensfragen nur religiös beantworten ließen, unterstrich dann auch Bischof Ivo Muser. Dabei gehe Religion über Ethik und Moral hinaus, indem sie auf etwas Höheres verweise.
Aufhorchen ließ der Bischof mit seiner Aussage zur Ambivalenz von Religion. Jede Religion könne sinnstiftend, aber auch zerstörerisch wirken. Das zuzugeben, sei Voraussetzung für einen Dialog zwischen den Religionen“, meinte Muser. Dass die institutionalisierten Religionen zwar die wesentliche Fragen stellten, diese aber meist naiv, wenn nicht gar falsch beantworteten, meinte hingegen der Historiker Hannes Obermair. Religionen reagierten auf die Unsicherheiten und Ängste der Menschen und verkauften „Glauben als Hypothek für das Jenseits“. Als Agnostiker sei das Leben zwar schwerer auszuhalten, meinte Obermair, „aber ein freies Denken sei doch viel spannender und herausfordernder“.
Dass im Glauben eine enorme Kraftquelle stecke, die man nicht leichtfertig vertun sollte, mahnte Martin Krautwurst. Der Pfarrer der Evangelischen Gemeinde Meran lud dazu ein, die sinnstiftende Kraft des Glaubens für eine bessere Welt als „Geländer für das eigene Leben“ anzunehmen. Weniger über Religion und Glauben zu sprechen, dafür Taten der Menschlichkeit und für Frieden in den Mittelpunkt zu rücken, dafür plädierte Mirko Wenter, der Vizepräsident der Jüdischen Gemeinde von Meran. Mehr Aufgeschlossenheit innerhalb der katholischen Kirche wünschte sich Lara Vanzo, die die Schülerseite am Podium vertrat. Dass Religionen noch heute die Rechtfertigung für Zwiespalt und Kriege lieferten, erschüttert die Oberschülerin. Nur gemeinsam hätten die Weltreligionen Zukunft und könnten so für einen dauerhaften Frieden wirken. Moderiert wurde die Tagung von Eberhard Daum. (Text und Fotos: Josef Prantl)